Geistliches Wachstum ist sicher mal ein typisch freikirchlicher Fachbegriff. Damit gemeint ist folgendes: Ein Mensch entscheidet sich, die Vergebung von Jesus Christus anzunehmen. Und anschließend steht er vor der Herausforderung, wie er nun als Christ weiterleben soll. Und genau hier kommt das geistliche Wachstum ins Spiel. Damit gemeint ist nichts anderes, als dass ein Christ nach und nach lernt, in der Kraft vom Heiligen Geist, den Weg zu gehen, den Gott für ihn vorbereitet hat.
An manchen Stellen spricht die Bibel von geistlichen unreifen Christen (1.Kor. 3,1-13). Solche Menschen sind vom Neuen Testament her zwar sehr wohl erlöste Kinder Gottes. Solche Christen sind aber gleichzeitig noch nicht wirklich voran gekommen im geistlichen Wachstum. Denn geistliches Wachstum hat ganz konkrete Auswirkungen. Die Bibel nennt das häufig „Frucht bringen“! Und von alle dem handelt auch der Bibeltext, den ich hier heute kurz behandeln möchte: Da seine göttliche Kraft uns alles geschenkt hat, was zum Leben … in Gottesfurcht dient, durch die Erkenntnis dessen, der uns berufen hat … so setzt eben deshalb allen Eifer daran und reicht in eurem Glauben die Tugend dar, in der Tugend aber die Erkenntnis, in der Erkenntnis aber die Selbstbeherrschung, in der Selbstbeherrschung aber das standhafte Ausharren, im standhaften Ausharren aber die Gottesfurcht, in der Gottesfurcht aber die Bruderliebe, in der Bruderliebe aber die Liebe. Denn wenn diese Dinge bei euch vorhanden sind und zunehmen, so lassen sie euch nicht träge noch unfruchtbar sein für die Erkenntnis unseres Herrn Jesus … (2. Pe. 1,3-8).
Petrus beschreibt hier mit wenigen Worten einen sehr komplexen
Sachverhalt. Darum wirkt dieser Text am Anfang auch so
kompliziert. Aber eigentlich ist er das gar nicht, denn im
Grund geht es nur um zwei Dinge: Zum einen um das, was Gott für
uns getan hat. Und zum zweiten um das, was wir tun müssen, um
tatsächlich geistlich voran zu kommen. Petrus sagt es sehr
prägnant: Jeder Mensch, der Jesus erkannt hat, hat theoretisch
das komplette, göttliche Potential in sich, um ein
gottesfürchtiges Leben zu führen. Doch dieses göttliche
Potential wird seine Kraftwirkung nur dann entfalten, wenn wir
„allen Eifer daransetzten“, in die korrekte Richtung zu gehen.
Und weil diese Richtung aus acht verschiedenen Stufen besteht,
spreche ich gerne von der geistlichen Wachstumsleiter. Wie bei
einer Leiter gilt es, Sprosse für Sprosse zu erklimmen. Das
Ziel besteht darin, nicht „träge noch unfruchtbar“ zu sein und
zu einem Menschen voller „Liebe“ zu werden. Wahrhaftig Lieben
zu können ist von diesen Versen das Höchste, was ein Christ
durch geistliches Wachstum erreichen kann. Wie also schauen die
einzelnen Sprossen aus?
Am Anfang steht bei Petrus der Glaube. Dieses Wort kann vom
griechischen Urtext her auch mit Vertrauen übersetzt werden.
Die erste Sprosse zum geistlichen Wachstum besteht also darin,
sich dafür zu entscheiden, Gott in allem zu vertrauen. Und wie
kann man Gottvertrauen am Besten entwickeln? Indem man anfängt,
es auszuprobieren, oder? Und genau darum lautet die zweite
Sprosse Tugend. Dieses altmodische Wort bedeutet nichts anderes
als Taten oder Werke tun. Unsere Entscheidung zum Gottvertrauen
soll sich in Taten und Mitarbeit ausdrücken. Spannenderweise
wird ausgelebtes Gottvertrauen zu mehr Gotteserkenntnis führen,
der dritten Sprosse auf der Wachstumsleiter. Indem ich anfange,
etwas für Gott zu tun, werde ich erleben, wie er sich mir mehr
und mehr offenbart! Das kann durch das Erleben von Wunder,
durch sein Reden zu mir oder einfach durch das Zusammensein von
mit anderen Christen passieren. Ich werde Gott immer besser
kennenlernen. Die vierte Stufe lautet darum auch
Selbstbeherrschung. Je mehr ich nämlich mit Gott erlebe und je
mehr Erfahrungen ich mit dem Heiligen Geist mache, desto mehr
werde ich in der Gefahr stehen, überheblich zu werden. Nicht
wenige Christen verlassen auf dieser Sprosse den Weg vom
geistlichen Wachstum, weil sie Anfangen zu glauben, ihre
Einsicht und ihr Erfolg hätte etwas mit ihnen zu tun.
Die fünfte Sprosse ist das standhafte Ausharren. Dieses Wort kommt in der Bibel immer im Zusammenhang mit Anfechtungen und Leiden vor und gehören untrennbar zu jedem Weg vom geistlichen Wachstum. Paulus schreibt: Alle, die gottesfürchtig leben wollen … werden Verfolgung erleiden.“ (2.Tim. 3,12). Wer vorankommen will im geistlichen Wachstum muss sich von Begin an darauf einstellen, dass er irgendwann mit Anfechtungen und Leiden konfrontiert wird. Auch darum ist es so wichtig, dass man zuvor Selbstbeherrschung und Demut gelernt hat. Die eigene Kraft bringt einem im Leiden nämlich nicht besonders weit. Nur das Wissen, dass hinter allem der liebende Vater im Himmel steht, hilft einem durch diese Zeiten hindurch. Darum heisst die fünfte Stufe auch Gottesfurcht. Wer in Anfechtung und Leid Gottes Durchtragen erlebt hat, der wird verändert aus dieser Zeit herauskommen. Gerade auch die Gottesbeziehung vertieft sich in solchen Phasen ungemein. Man hat gelernt, dass Gott Dinge zulässt, aber auch die Macht hat, einen Ausweg zu schaffen. Genau diese Erkenntnis nennt die Bibel Gottesfurcht.
Aus einem gottesfürchtigen Herzen kann dann endlich die echte Liebe heranwachsen. Zuerst wird die Liebe zu den Mitgläubigen (Bruderliebe) entstehen. Später wird das eigene Herz dann immer fähiger werden, auch alle anderen Menschen anzunehmen und lieb zu haben. Die echte Liebe zu Gottes Schöpfung ist das Endziel von jedem geistlichen Wachstum. Darum kann Paulus auch in 1.Kor. 13 schreiben, dass jede noch so gute Tat ohne Liebe im Grunde nichts wert ist. Wäre es nicht schön, wenn jeder von uns sich wieder ganz neu und bewusst auf den Weg machen würde, die Sprossen dieser geistlichen Wachstumsleiter zu erklimmen? Wie würden unsere Kirchen und Gemeinden aussehen, wenn jeder von uns mit „allem Eifer“ dran wäre, ein Herz voller Liebe zu entwickeln? Ich stelle mir das wunderbar vor